1.1.3 Erreichbarkeitsplanung

Datum der Konstituierung: 15.10.2021
Leitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Gebhard Wulfhorst

Problem / Ziel

Ziele der Erreichbarkeitsplanung

Im Kontext der geplanten „Empfehlungen zur Erreichbarkeitsplanung“ wird die Erreichbarkeit als die integrierte Betrachtung des Verkehrsangebots, der Raumstruktur und der Mobilitätsbedarfe der Bevölkerung verstanden. Damit ist Erreichbarkeit eine wesentliche Voraussetzung, um die individuellen Bedürfnisse mithilfe von Ortsveränderungen zu befriedigen. Diese Ortsveränderungen stellen in ihrer Gesamtheit die Verkehrsnachfrage dar. Der Umfang negativer externer Effekte hängt von der Länge, der Dauer und der Verkehrsmittelnutzung auf den Einzelwegen ab. Erreichbarkeit hat also einen unmittelbaren positiven Nutzen für die Bevölkerung und ist Voraussetzung für eine verträgliche und nachhaltige Verkehrsabwicklung. Mit der Erreichbarkeitsplanung wird das Spanungsverhältnis zwischen der Verkehrs- und Raumplanung auf der einen und den individuellen Bedürfnissen und Rahmenbedingungen auf der anderen Seite adressiert und gestaltet. Sie stimmt die Entwicklung von Aktivitätsstandorten, der Verkehrsinfrastruktur und des Verkehrsangebotes so aufeinander ab, dass alle Mobilitätsanforderungen erfüllt werden, ohne dabei die Grenzen langfristig verträglicher Belastungen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung unter ökonomischen, sozialen und ökologischen Gesichtspunkten zu überschreiten. Erreichbarkeitsplanung kombiniert und erweitert bereits bestehende Instrumente, sodass neue Möglichkeiten für die Planung auf allen Maßstabsebenen eröffnet und strategische Planung eines integrierten Gesamtsystems ermöglicht werden. Während in der strategischen Verkehrsplanung lange der Fokus auf die Forschung und die Praxis in der Verkehrsangebotsplanung (z. B. Empfehlungen für Verkehrsplanungsprozesse) und der Nachfragebeeinflussung (z. B. Empfehlungen zur Anwendung von Mobilitätsmanagement) gerichtet war und in den o. g. Regelwerken umfassend dokumentiert ist, etabliert sich die Erreichbarkeitsplanung zunehmend als dritte Säule mit einer integrierten Betrachtung von Mobilität, Raumstruktur und dem damit einhergehenden Wechselspiel. Im Diskurs rund um die Spannungsfelder Leben, Arbeiten und Mobilität nimmt die Bedeutung des Konzeptes weiter zu, ohne dass sich bisher nationale Richtlinien zu Gestaltung und Einsatz geeigneter Modelle herauskristallisiert haben. Daraus ergibt sich einerseits ein Bedarf, strategische Ziele und Beurteilungskriterien zu definieren, andererseits die Notwendigkeit, Instrumente und Modelle zu schaffen, deren Indikatoren ebendiese Bewertung ermöglichen.

Erreichbarkeitskriterien

Obwohl der Erreichbarkeit eine herausgehobene Bedeutung innerhalb der Verkehrsplanung zuzustehen ist, mangelt es bisher an abgestimmten Erreichbarkeitskriterien. So werden bisher zumeist einfache Indikatoren der Zugänglichkeit des öffentlichen Verkehrssystems („Hinweise zur Nahmobilität“ (2014)) oder für Reisezeiten zu nächsten zentralen Orten („Richtlinien für integrierte Netzgestaltung“ (2008)) vorgeschlagen. In den „Hinweisen zu Mobilität und sozialer Exklusion“ (2015) findet sich zudem ein Exkurs zur Erreichbarkeitsplanung in England. Eine umfassende Betrachtung der Thematik blieb aber bisher aus. Die Empfehlungen zur Erreichbarkeitsplanung sollen diese Lücke füllen und machen den umfangreichen internationalen Forschungsstand zum Thema Erreichbarkeitsplanung für die deutsche Planungspraxis verfügbar. Dabei sollen insbesondere in Abhängigkeit von der Wohnlage und dem Wegezweck (~spezifischen Aktivitäten) unterschiedliche Erreichbarkeitskriterien festgelegt werden. Diese sollen die Befriedigung der Mobilitätsbedarfe garantieren und somit die gesellschaftliche Teilhabe sicherstellen. Die Differenzierung für die einzelnen Verkehrsmodi soll außerdem die verträgliche Verkehrsabwicklung gewährleisten. Die Qualität des Verkehrsangebotes lässt sich an unterschiedlichen Standorten unter anderem über die Erschließungswirkung und die Verbindungsfunktion der unterschiedlichen Verkehrsträger mithilfe von Erreichbarkeitsindikatoren bewerten. Alle Arten von Standorten, wie Wohnstandorte, Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten, Freizeitgelegenheiten, Dienstleistungen, Einrichtungen der Daseinsvorsorge und medizinische Einrichtungen sollen möglichst einfach und ohne zu hohe externe Belastungen erreichbar sein. Das Verkehrsangebot sollte die klassischen Verkehrsmodi und explizit auch die neuen Mobilitätsdienstleistungen umfassen. Zu den klassischen Modi gehören der öffentliche Personen(nah)verkehr (ÖV/ÖPNV), der motorisierte Individualverkehr (MIV), das Zufußgehen und das Radfahren. Hinzu kommen neue Mobilitätsdienstleistungen wie Bikesharing, Carsharing, Taxi, Ridepooling und Ridesharing sowie deren intermodale Kombinationen einschließlich der organisatorischen und datentechnischen Integration ("Mobility as a Service").

Erreichbarkeitsmessung

Mit Erreichbarkeitsmodellen lässt sich die Einhaltung von Erreichbarkeitskriterien mithilfe von Erreichbarkeitsindikatoren überprüfen. Diese Modelle bestehen in der Regel aus einem Abbild der Raumstruktur und dem Verkehrsangebot. Auch klassische Verkehrsmodelle beinhalten diese Komponenten und können somit für die Erreichbarkeitsmessung genutzt werden. Entscheidend ist jedoch, dass Detailtiefe und unterschiedliche Modellannahmen die Ergebnisse beeinflussen. Daher ist es notwendig, Hinweise für den Aufbau von Erreichbarkeitsmodellen in Abhängigkeit von den Verkehrsmodi und der genutzten Erreichbarkeitsindikatoren zu geben. Dies betrifft beispielsweise die räumliche Auflösung oder den Umgang mit neuen Mobilitätsdienstleistungen.

Nutzende des Merkblatts 

Typische Nutzende der „Empfehlungen zur Erreichbarkeitsplanung“ sind Planerinnen und Planer, Kommunen, Landkreise, regionale Planungsinstitutionen, Länder, aber auch Verkehrsunternehmen, Verkehrsverbünde sowie Unternehmen, die sich für die Bewertung und Optimierung der Erreichbarkeit ihrer Standorte interessieren. Zudem dient die Veröffentlichung der Wissenschaft zur Orientierung für weiteren Forschungs- und Entwicklungsbedarf.

Grobe Gliederung des Inhalts

Im ersten Abschnitt der „Empfehlungen zur Erreichbarkeitsplanung“ werden die Notwendigkeit und Potenziale der Erreichbarkeitsplanung herausgestellt. Die beiden sich anschließenden Abschnitte widmen sich den Erreichbarkeitskriterien und ihrer Messung. Im letzten Abschnitt werden Empfehlungen für die praktische Umsetzung gegeben und einzelne Fallbeispiele vorgestellt. 

  1. Warum Erreichbarkeitsplanung? 
    a. Akteure der Erreichbarkeitsplanung und Einsatzpotenziale 
    b. Ergänzung zu bestehenden Instrumenten
    c. Entwicklungs- und Handlungsbedarf 
  2. Erreichbarkeitskriterien
    a. Dimensionen von Erreichbarkeit
    b. Kriterien und mögliche Indikatoren 
  3. Erreichbarkeitsmessung
    a. Raumstruktur und Analyseeinheiten
    b. Verkehrsangebot und neue Mobilitätsdienstleistungen 
  4. Praktische Anwendung
    a. Erreichbarkeitsinstrumente in der Planungspraxis
    b. Best Practices und Fallbeispiele

Angestrebtes Ergebnis

Maßgeblich für die strategische Verkehrsplanung sind bisher die „Empfehlungen für Verkehrsplanungsprozesse“ (EVP, R 2), die „Empfehlungen zur Anwendung von Mobilitätsmanagement“ (EAM, R 2) und die „Richtlinien für integrierte Netzgestaltung“ (RIN, R1). Die geplanten „Empfehlungen zur Erreichbarkeitsplanung“ haben ebenfalls den Anspruch, klare Richtlinien für die Erreichbarkeitsplanung in der Planungspraxis zu geben. Daher wird ebenfalls die Kategorie R 2 angestrebt

Regelwerk (Empfehlungen R 2) – 2023

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