3.2.11 Verkehrliche und organisatorische Anforderungen für Netzbeeinflussungsanlagen

Datum der Konstituierung: 10.05.2017

Leitung: Dr.-Ing. Tobias Volkenhoff

Problem / Ziel

Zur Beeinflussung des Verkehrsablaufs auf Autobahnen stehen Knotenpunktbeeinflussungsanlagen (KBA), Streckenbeeinflussungsanlagen (SBA) und Netzbeeinflussungsanlagen (NBA) zur Verfügung. Insbesondere den NBA kommt hinsichtlich der effizienten Auslastung der Kapazitäten große Bedeutung zu. Allerdings existiert kein ausreichendes Wissen zur Befolgung und Nutzenpotentialen, sodass nicht klar ist, ob die Ansätze in den Wirksamkeitshinweisen (FGSV 311) zutreffend sind. Dazu ist derzeit seitens der BASt das Projekt "Wirksamkeitsanalysen für Anlagen zur Netzbeeinflussung" (FE 03.0536/2015/IRB) geplant.

Aktuell werden einige größere Projekte in diesem Kontext umgesetzt (LISA-Korridore Ost und West, NBA-Weiterentwicklungen in Bayern (dNet Bayern) und NRW). Aus diesen Projekten sind praxisrelevante Erfahrungen zu erwarten bzw. bereits vorhanden. Während für SBA und KBA robuste und leistungsfähige Algorithmen zur Verfügung stehen, die weitgehend automatisch laufen, werden Strategien der NBA in der Regel manuell aktiviert und deaktiviert. Die wenigen im Einsatz oder in Konzeption/Evaluierung befindlichen Algorithmen (z. B. Netran NEO, Ansatz LISA VMZ Berlin, Köln-Koblenz, NBA-Steuerung Hessen) wurden noch nicht strukturiert analysiert bzw. deren Ergebnisse der Öffentlichkeit bekanntgemacht. Für die präventive Steuerung von Netzmaschen sollten Algorithmen unter Beachtung von Prognoseaspekten in Abhängigkeit der Maschenweiten in Betracht gezogen werden. Außerdem sind gerade in eng vermaschten Autobahnnetzen Überlagerungen mehrerer Schaltstrategien von überlappenden Netzmaschen zu beachten. Es sollte eine Zielfunktion entwickelt werden, die für Entscheidungen mehr als nur die Reisezeit berücksichtigt.

Die Nutzung neuer Datenquellen für Reisezeitmessung (Bluetooth, ANPR) und Störfallerkennung bieten neue Potenziale. Hierzu gibt es aber derzeit keine bzw. noch nicht veröffentlichte Vorgaben. Weiterhin stehen grundsätzlich Daten privater Anbieter (z. B. Google, TomTom, Automobilindustrie) zur Verfügung. Es ist aber nicht klar, ob und inwieweit diese Daten in den NBA-Kontext nutzbar sind. Es ist aber umgekehrt auch denkbar, dass auch Interesse seitens der Privatwirtschaft an Daten der Verkehrszentrale besteht. Diese könnten z. B. über den MDM ausgetauscht werden.

NBA-Strategien erstrecken sich häufig über größere Netzabschnitte, sodass auch andere Betreiber einzubinden sind. Über den Austausch von Betreiber übergreifenden Strategien existieren erste Erfahrungen, die aber noch nicht strukturiert zusammengetragen wurden. Die FGSV-Hinweise zur betreiberübergreifenden Netzsteuerung (FGSV 310) macht hierfür vor Allem technische Vorgaben. Diese sollten auf ihre Aktualität geprüft werden und stärker um verkehrstechnische und organisatorische Vorgaben ergänzt werden. Insbesondere steht mit dem MDM eine Plattform zum Strategieaustausch zur Verfügung, die auch Dritte (z. B. private Navigationsdienste) mit Informationen versorgen könnte. Vor dem Hintergrund der immer größeren Verbreitung von dynamischen Navigationsgeräten ist kritisch zu hinterfragen, welchen Beitrag die öffentliche Hand zur Netzbeeinflussung noch leisten kann/muss.

Hinsichtlich der Informationsübermittlung an den Verkehrsteilnehmer gibt es unterschiedliche Kanäle (WWW, dWiSta, MDM, Navigationsgeräte, Verkehrsinformationen über TMC, TPEG). Dazu existieren zum Teil Vorgaben (z. B. für dWiSta und internationale Standards). Diese werden aber aufgrund von Praxiserfahrungen nicht mehr durchgehend umgesetzt. Darüber hinaus sind EU-Vorgaben zu beachten. Zur Untersuchung dieses Themenbereichs plant die BASt das Projekts "Optimierungspotenzial neuer Anzeigen und Inhalte von dWiSta" (FE 03.0537/2015/IRB).

Zudem ist aus Anwendersicht (Operatoren, aber auch Verkehrsingenieure) zu betrachten, welche Informationen den Bedienern dargeboten werden sollten, um die notwendigen Entscheidungen für eine Schaltung treffen zu können bzw. für die Verkehrsingenieure zur Evaluierung und Optimierung  der Verfahren bzw. deren Parameter (z. B. Validierung der Befolgung).

Unter Berücksichtigung des zunehmenden Güterverkehrs sollten vorausschauend neue Konzepte der Netzbeeinflussung speziell auch für diese Nutzergruppe entwickelt werden. Zur Untersuchung der Realisierbarkeit eines umfassenden Netzmanagements sollten die Potenziale von Netzabschnitten für unterschiedliche Nutzergruppen (Pkw, Lkw, Elektromobilität) erarbeitet werden. Ein strategisches Netz für den Güterverkehr könnte anders aussehen als ein strategisches Netz für den Individualverkehr. Anforderungen der Nutzergruppen müssten erarbeitet werden. Daraufhin wäre auf den Strecken im Netz (insbesondere auf redundanten Strecken) zu untersuchen, ob sich eine für eine bevorzugte Behandlung einer Nutzergruppe auf einer der redundanten Strecken eignet. Beim Güterverkehr würde hier beispielsweise die Lage von Güterverkehrszentren, Logistikzentren, Lkw-Parkplatzauslastungen von Streckenabschnitten sowie Möglichkeiten zur Realisierung von Platooning, elektrischer Highway etc. Berücksichtigung finden. An ausgewählten Entscheidungspunkten könnten dann mittels dWiSta (oder per App, C2I) Streckenempfehlungen für die eine oder andere Nutzergruppe, je nach vorliegender Verkehrssituation, gegeben werden. Dieses Potentialnetz zur Netzbeeinflussung könnte in dem Forschungsprojekt "Konzept zur Definition strategischer Verkehrskorridore und Betrieb bundesweit vernetzter Verkehrs- und Betriebszentralen" erarbeitet werden.

Ein Arbeitskreis wird sich nun diesen Fragestellungen widmen und könnte darüber hinaus als Betreuerkreis für die geplanten FE-Projekte seitens der BASt fungieren:

  • Wirksamkeitsanalysen für Anlagen zur Netzbeeinflussung (FE 03.0536/2015/IRB)
  • Optimierungspotenzial neuer Anzeigen und Inhalte von dWiSta (FE 03.0537/2015/IRB)
  • Konzept zur Definition strategischer Verkehrskorridore und Betrieb bundesweit vernetzter Verkehrs- und Betriebszentralen (FE 03.0501/2012/IRB)

Potenzielle Nutzer der Veröffentlichung sollen Betreiber und Planer von Netzbeeinflussungsanlagen, Betreiber von dynamischen Navigationsdiensten, Raumplaner und der Logistiksektor (Verlader, Frachtführer) sein.

Grobe Gliederung des Wissensdokuments

  1. Zielsetzung
  2. Datenbasis (Grundlage: AK 3.1.8 Detektionssysteme)
    1. Lokale Verkehrsdatenerfassung
    2. Bluetooth- oder ANPR-Reisezeiterfassung
    3. FCD, Floating Phone Data
    4. Ereignisse (TMC-/ TPEG-Meldungen)
  3. Algorithmik (ggf. Ergebnisse aus begleitendem FE-Projekt)
    1. eingesetzte Verfahren in der Netzsteuerung
    2. Erfahrungen aus dem Ausland
  4. Organisation des Strategieaustauschs zwischen öffentlichen Betreibern (international, national, regional, Ballungsraum)
    1. Schnittstelle MDM
    2. Datenaustausch mit Privaten (Google, TomTom etc.)
    3. Sicherstellung der Konsistenz (Informationen über die unterschiedlichen Kanäle, durch gängige Zielspinnen)
  5. Möglichkeiten zur Informationsverbreitung (Ergebnisse aus begleitendem FE-Projekt)
    1. kollektiv, individuell, pre-trip, on-trip
    2. Vorgaben zur Gestaltung von Informationen (dWiSta, Vorgaben der EU)
  6. Wirkung (Ergebnisse aus begleitendem FE-Projekt)
    1. Befolgungsraten und deren Einflussgrößen (z. B. andere Informationsquellen)
    2. Wechselwirkung mit Routenempfehlungen von Navigationssystemen
  7. Best Practice
    1. dNet Bayern
    2. Köln-Koblenz-Anwendungen (NRW/RP, BW)
    3. DWiSta-Steuerung in Hessen
    4. LISA-Korridor Ost
    5. LISA-Korridor West
    6. NBA BER/AIRVIS Berlin
  8. Neue Möglichkeiten der Netzbeeinflussung mittels C2I/(I2C) unter Berücksichtigung unterschiedlicher Nutzergruppen (Ergebnisse aus begleitendem FE-Projekt)
  9. Empfehlungen, Ausblick

Angestrebtes Ergebnis

Hinweise oder R 2-Regelwerk (W 1 oder R 2) – 2024

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