3.2.2 Regelungslogik für Streckenbeeinflussungsanlagen

Datum der Konstituierung: 3.5.2018

Leitung: Dipl.-Ing. Jessica Hegewald

Problem / Ziel

Der Einsatz von Verkehrsbeeinflussung auf Autobahnen hat sich seit vielen Jahren bewährt. Da die zu grundliegende Steuerung überwiegend auf einer standortbezogenen Parametrierung basiert, bedürfen Verkehrsbeeinflussungsanlagen aber meist komplexen Feinjustierungen und zeitaufwendigen Kontrollen der Algorithmen. Gleichzeitig schreitet die Entwicklung von Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikationssystemen voran, sodass zukünftig eine erweiterte Datenbasis zur Verfügung stehen wird. Im Hinblick auf die Nutzung von fahrzeugbezogenen Daten und im Kontext kooperativer Systeme werden allgemein erhebliche Optimierungspotenziale für die Verkehrsbeeinflussung durch eine Verbesserung durch ortsunabhängige Einzelfahrzeugdaten gesehen. Bestehende Steuerungsverfahren können jedoch keine Einzelfahrzeugdaten verarbeiten, sodass sich allein hieraus Handlungsbedarf ergibt. 

Die klassische Streckenbeeinflussung kennt nur einige, vorab definierte Verkehrszustände und sie verfügt auch nur über ein begrenztes, durch Wenn-Dann-Regeln abbildbares Maßnahmenspektrum. Für jede Verkehrs- und Umfeldsituation müssen standortabhängig geeignete Parameter gefunden werden, deren Eignung regelmäßig zu prüfen ist. Damit wird deutlich: Das Prinzip der Streckenbeeinflussungsanlage (SBA) beruht auf einer klassischen Steuerung (vgl. MARZ 99). Dabei führt ein bestimmter Input immer zum gleichen Output. Konkret führt also eine einmal erkannte Verkehrslage zu der im Vorfeld definierten Maßnahme (Schaltbild). Eine Steuerung ist planerisch eine Herausforderung, da der tatsächliche Verkehrsablauf durch zufällige Schwankungen charakterisiert ist – oftmals bedingt dies fortlaufende Anpassungen im Betrieb. Noch stärker zeigt sich die Schwäche einer Steuerung darin, dass sie keine Störeinflüsse, z. B. aufgrund unerwarteter Verhaltensweisen der Verkehrsteilnehmer, ausregeln kann. 

Der Gegenspieler zur Steuerung ist in der Regelungstechnik die Regelung. Hierunter wird der folgende allgemeine Regelkreis verstanden: Verkehrslage analysieren – Maßnahme anordnen – Wirkung der Maßnahme mit der angestrebten Wirkung abgleichen – bei Abweichung ggf. neue Maßnahme anordnen usw. Die quantitative Abweichung von erwarteter Wirkung (durch SBA ideal beeinflusste Verkehrslage) und tatsächlicher Wirkung (von diversen teils nicht messbaren Randbedingungen beeinflusste Verkehrslage) wiederum bildet die Basis, welche weitere oder andere Maßnahme angeordnet werden muss. Auf diese Weise kann eine Regelung sofort auf veränderte Randbedingungen reagieren – auch ohne diese direkt messen zu müssen. Erfolgreich wird das Prinzip der Regelung seit zehn Jahren für Zuflussregelungsanlagen angewandt. Dabei bestimmt die Verkehrsdichte der Hauptfahrbahn die Rotlichtdauer und somit die zufließende Verkehrsstärke in der Zufahrt.

Ein Regelkreis ist gut planbar und braucht weniger Parameter. Da die Arbeitsweise von der Steuerung abweicht, müssen neue wissenschaftliche Grundlagen geschaffen werden, um Algorithmen der Steuerung einer SBA in eine Regelung zu überführen. 

Eine dieser Festlegungen ist der sogenannte Soll-Wert im Regelkreis (Führungsgröße). Der Regelkreis wird so arbeiten, dass er das Minimum der Abweichung zwischen Ist- und Soll-Wert der Führungsgröße anstrebt. Für eine Streckenbeeinflussung soll der Soll-Wert der optimale angestrebte Verkehrsablauf sein. Der Ist-Wert ist der tatsächliche Verkehrsablauf. Hierfür wird das Mitte 2017 begonnene FE 03.0523/2014/IGB "Ermittlung von Optimierungspotenzialen bestehender und zukünftiger Streckenbeeinflussungsanlagen" wichtige Grundlagen erarbeiten. Es gilt, die erforderliche Führungsgröße so zu beschreiben, dass die hieraus zu gewinnende Regelabweichung weiter von einem Regler verarbeitet werden kann. Damit ergibt sich für das Projekt die Aufgabe, den optimalen Verkehrsablauf zu beschreiben und auf messbare Größen zu übertragen. 

Das nach MARZ 99 definierte Maßnahmenspektrum der SBA ist zunächst sehr begrenzt. Dieses in einen Regelkreis zu überführen, wird hinsichtlich der Wirksamkeit nicht ausreichen. Die Analyse der bestehenden Maßnahmen der Verkehrsbeeinflussung besonders im Hinblick auf neue Technologien der Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation und das Aufstellen neuer Maßnahmen ist das Ziel des seit April 2017 laufenden FE 03.0522/2014/IRB "Steuerungsstrategien für VBA im Kontext von Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation". 

Um die Potenziale von fahrzeugbasierten Daten zu nutzen, aber auch um die stationäre Detektion vorteilhaft einzusetzen, bedarf es geeigneter Verkehrsmodelle, die eine ganzheitliche räumliche und zeitliche Bewertung der Verkehrslage aber auch der zu erwartenden Wirkung von Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen erlauben. Bestehende Modelle sind dahin gehend zu ertüchtigen, dass sie die Wirkung verkehrsbeeinflussender Maßnahmen auf den (ursprünglichen) Verkehrsablauf im gesamten Netz und im zeitlichen Verlauf abbilden. Diese Modelle unterstützen eine regelungstechnische Maßnahmenauswahl. Im Rahmen des geplanten FE 03.0538/2015/IGB "Auswirkungen kooperativer Systeme und autonomen/hochautomatisierten Fahrens auf den Verkehrsablauf und Anforderungen an die kollektive Verkehrsbeeinflussung auf Autobahnen" werden als Grundlage für die verkehrstechnische Bewertung automatisierten Fahrens die erforderlichen Verkehrsmodelle im Rahmen der Simulation ertüchtigt und angewendet. 

Der AK "Regelungslogik für Streckenbeeinflussungsanlagen" verfolgt daher mehrere übergeordnete Ziele:

  • Mathematische Beschreibung eines optimalen Verkehrsablaufs (im Grenzbereich von Nachfrage und Kapazität und unter bestimmten Randbedingungen) und Übertragung auf messbare Größen (stationäre Detektion und/oder fahrzeugbasierte Daten). Was genau ist ein Optimum (Zielgröße) des Verkehrsablaufs aus kollektiver Sicht?
  • Qualitative Bewertung der Maßnahmen der Verkehrsbeeinflussung hinsichtlich ihrer verkehrlichen Wirkung in konkreten Verkehrssituationen.
  • Ausgehend von dem Ziel einer optimalen Verkehrsverteilung auf der Strecke und dem Wissen über die verkehrliche Wirkung von Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen Fortentwicklung der Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen.
  • Im Ergebnis soll der AK die bestehende Steuerung ohne Wirkungsanalyse in eine Regelungslogik mit Wirkungsanalyse überführen (Algorithmen).
  • Der AK soll die Anforderungen für eine netzweite Optimierung (einschließlich geeigneter Optimierungsgrößen) von Maßnahmen zunächst nur für SBA (mit der Option einer Erweiterung für NBA, KBA) für Verkehrs(simulations)modelle erarbeiten. Diese bilden die Grundlage des zu entwickelnden Reglers und dienen auch der Bewertung der Wirksamkeit.

Das Gesamtziel ist die Entwicklung einer regelkreisbasierten Verkehrsbeeinflussung und deren Überführung in den laufenden Betrieb. Der Arbeitskreis soll die hierfür erforderlichen Grundlagen und Anforderungen erarbeiten und Forschungsarbeiten laufend begleiten. 

Eine für die Praxis aufbereitete Zusammenstellung der bisherigen Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse sowie durch ein Fachgremium diskutierte und empfohlene Algorithmen für eine regelkreisbasierte Verkehrsbeeinflussung (mit Wirkungskontrolle) sollen verfügbar gemacht werden. 


Grobe Gliederung des Wissensdokuments

  1. Zielsetzung
  2. Grundlagen
    • bisheriger Kenntnisstand zur Steuerung ohne Wirkungsanalyse
    • Erfahrungen aus dem Ausland
  3. Aufstellen eines Algorithmus zur Regelkreisbasierten Verkehrsbeeinflussung
    • Mathematische Beschreibung eines optimalen Verkehrsablaufs
    • Übertragung auf messbare Größen (stationäre Detektion, fahrzeugbasierte Daten) 
    • Qualitative Bewertung der Maßnahmenwirkung der Verkehrsbeeinflussung
    • Neu- und Weiterentwicklung zielorientierter Maßnahmen
    • Entwurf einer Regelungslogik mit Wirkungsanalyse (Algorithmen).
    • Lösungsansätze/Anforderung zum Optimierungsproblem (netzweite Wechselwirkung von Maßnahmen) mittels Simulation 
  4. Diskussion der Ergebnisse 
    • Diskussion von Umsetzbarkeit von Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen (Hinweise auf verkehrsrechtliche, organisatorische, technische Randbedingungen)
    • Hinweise zum Einsatz/Parametrierung 
  5. Ableitung von Empfehlungen, Ausblick 

Angestrebtes Ergebnis

Es wird die Erarbeitung eines Wissensdokuments (W 1) vorgeschlagen, welches Empfehlungen für den Einsatz einer regelkreisbasierten Verkehrsbeeinflussung enthält. 
Hinweise (W 1) – 2024

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